Yoga und Reisen
Dass Yoga täglich passiert – ohne jegliche körperliche Verrenkung – bemerke ich im Urlaub, fern von den kleineren und größeren Lasten des Alltages, am besten.
Blick und Herz werden weit für die Begegnungen mit den Menschen und der Kultur eines Landes. Bemerkenswerte, berührende Situationen lauern überall, da sie in Augenblicken geschehen können. Und – wie wir Yogapraktizierenden genau wissen – das Kleine kann ganz groß sein und letztlich hat alles, das uns begegnet, was mit uns selbst zu tun.
Aus jedem Urlaub komme ich mit einer Fülle von Erfahrungen zurück, mit Teachings, die das Leben täglich geben kann. Wie auch zu den Themen Vorurteile und soziales Miteinander …..
Die nun folgende kleine Erfahrung hat mein Mann gemacht, ich darf sie hier weiter erzählen:
Eines Morgens sitzt er in Warschau auf einer Bank an der Straße während er auf mich wartet. Eine Frau geht auf ihn zu. Sie ist jenseits der 70, trägt ein grünes, weites knittriges Sommerkleid, hat weißes, einfach geschnittenes Haar in Kinnlänge. Sie redet meinen Mann auf Polnisch an, der sagt, dass er nur Englisch oder Deutsch spricht. Sie macht daher mit einer Hand eine Geste, die die Tätigkeit „rauchen“ bedeutet. Er sagt auf Englisch und gestikuliert dazu, dass er nicht rauche und keine Zigaretten für sie habe. Das tut er aufgrund all seiner je gemachten Erfahrungen im Kontext mit dieser Rauchen-Geste und dem Erscheinungsbild dieser Frau.
„Nein“, gibt sie mit Gesten und auf Polnisch zu verstehen, sie frage nur, ob sie sich zu ihm auf die Bank an der Straße setzen könne und hier rauchen dürfe.
„Bitte, gerne!“ deutet er daraufhin und sie nimmt Platz. Als sie zu rauchen beginnt, bemerkt sie, dass der Rauch zu meinem Mann hinzieht. Daraufhin steht sie auf und deutet ihm, Platz zu tauschen. Das tun sie. Um ihn nicht zu belästigen, dreht sie sich rauchend auch noch weg von ihm.
Mein Mann hat in dieser Situation Zeit. Er kann seinen Denkprozess gleich reflektieren: die Interpretation seiner ersten Wahrnehmungen UND sein Aha-Erlebnis, eine Lernerfahrung im besten Sinn. Er ist von der Rücksichtnahme und Höflichkeit dieser alten Frau so positiv überrascht, dass er – als er mich auf sich zukommen sieht – sich nun seinerseits höflich von ihr verabschieden mag. Das gelingt ihm mit seinem Handy und einer Übersetzungs-App, die er laut „Auf Wiedersehen“ sagen lässt. „Do widzenia!“. Sie versteht nicht gleich und er dreht die Lautstärke ganz hinauf. Da versteht sie und ihr Gesicht beginnt zu leuchten. Möglicherweise hat auch sie eben ihr Aha-Erlebnis mit einem Touristen und sie erwidert lächelnd und nickend „Do widzenia, do widzenia!“
Foto von Ryan Conrow, Pexels
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